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Urteil - Sozialversicherungsrecht

Tourguide (Stadtführer) regelmäßig abhängig Beschäftigter

Ist ein Tourguide in das unternehmerische Konzept des Auftraggebers in der Weise eingebunden, dass er die Teilnehmer der vom Auftraggeber beworbenen Touren in einer vorgegebenen Reihenfolge von einer Verkostungsstation zur nächsten führt und trägt der Tourguide kein nennenswertes Unternehmerrisiko, ist von dem Bestehen einer abhängigen Beschäftigung auszugehen, auch wenn der Tourguide die Möglichkeit hat, die Routen und Inhalte der Touren zwischen den Verkostungsstationen individuell zu gestalten (amtl. Leitsatz, Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Berlin Brandenburg vom 11.10.2023, L 9 BA 13/20).

Der Sachverhalt:

Die Klägerin bot in verschiedenen Städten kulturell-kulinarische Stadtführungen an, bei denen sie insgesamt 560 sog. Tourguides auf freier Mitarbeiterbasis einsetzte. Die Tour-Guides konnten dabei den Inhalt ihrer Führungen weitgehend frei bestimmen, mussten allerdings die von der Klägerin festgelegten Gastronomiebetriebe, wo örtliche Spezialitäten verkostet wurden, in einer vorgeschriebenen Reihenfolge, aufsuchen. Die Guides trugen ein Namensschild mit dem Logo der Klägerin. Sie konnten Aufträge annehmen oder ablehnen

Mit Bescheid vom 5.3.2018 teilte die Beklagte, die Deutsche Rentenversicherung Bund, im Statusfeststellungsverfahren mit, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliege und daher Versicherungspflicht bestehe. Dies allerdings nur in der Rentenversicherung, da ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis angenommen wurde.

Die Entscheidung:

Nach Auffassung des LSG sprach das maßgebliche Gesamtbild der Tätigkeit für eine abhängige Beschäftigung. Als entscheidendes Kriterium hierfür sah das LSG die Eingliederung der Tour-Guides in die Arbeitsorganisation der Klägerin sowie das Fehlen eines nennenswerten Unternehmerrisikos an. Eine Eingliederung ergäbe sich aus dem Umstand, dass die Tour-Guides in ein unternehmerisches Konzept eingebunden waren, das auf eine festgelegte Weise Stadtführungen veranstalte und eine klar erkennbare „Marke“ darstelle, mit dem die Klägerin in einer Vielzahl von Städten werbend auftrete. In den Mittelpunkt rückte das LSG dabei vorgegebene Verkostungsstationen und die Unveränderbarkeit der Stationsreihenfolge. Die Stadtführungen würden gerade wegen dieses kulinarischen Konzepts, auf das die Tour-Guides keinen Einfluss hatten, nachgefragt. Hinzu käme die Erkennbarkeit als Betriebsangehörige durch ein Namensschild mit dem Logo der Klägerin sowie gestellte Tourenskripte mit detaillierten Hinweisen zur Konzeptumsetzung.

Bewertung:

Heute werden zahlreiche betriebsmittelarme Dienstleistungen angeboten. Ein wesentliches Unternehmerrisiko wird sich hier selten finden lassen, so dass aus Sicht der „Auftraggeber“ auch das Risiko einer Scheinselbstständigkeit steigt. Je enger das vorgegebene Konzept dabei ist, desto weniger spricht letztlich für eine Selbstständigkeit.

Ähnlich hatte auch schon das LSG Mecklenburg-Vorpommern mit Beschluss vom 16.09.2022, L 4 BA 9/20 entschieden: Stadtführer, die Touren in Bussen begleiten, gelten danach als in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers eingegliedert und weisungsgebunden, wenn die Leistung allein vom Auftraggeber vollumfänglich organisiert und von ihrem Ablauf her im Detail nach einem feststehenden Fahrplan mit fixen Start- und Endpunkten der einzelnen und unterwegs anzufahrenden Haltestellen vorgegeben sei.

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