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Urteil - Sozialversicherungsrecht

Poolarzt im vertragszahnärztlichen Notdienst nicht automatisch selbständig tätig

Ein Arzt, der als sogenannter „Poolarzt“ in einem von der Kassenärztlichen Vereinigung organisierten Notdienst tätig ist, ist nicht deshalb automatisch selbständig, weil er insoweit an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt.

So das Bundessozialgericht (BSG) in seiner Entscheidung vom 24.10.2023 (B 12 R 9/21), mit der das höchste deutsche Sozialgericht auch für diese „Ärztegruppe“ eine Selbständigkeit verneint.

Der Sachverhalt:

Ein Zahnarzt hatte seine Praxis verkauft und war nicht mehr zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen. In einem Notdienstzentrum übernahm er vor allem an Wochenenden immer wieder Notdienste und erhielt hierfür einen festen Stundenlohn.

Die Entscheidung:

Während die Vorinstanzen den Zahnarzt wegen seiner Teilnahme am vertragszahnärztlichen Notdienst noch als selbstständig ansahen, kam das BSG unter Anwendung seiner üblichen Abgrenzungskriterien zum Vorliegen einer Sozialversicherungspflicht. Als Indizien hierfür wurden v.a. seine Eingliederung in den Betriebsablauf und die aufgrund des vereinbarten Stundenlohns fehlende Abrechnungsbefugnis je Patienten angesehen. Dem Argument, dass es Ausfluss der allgemeinen Berufspflichten von gerade auch ansonsten selbstständigen Ärzten sei, Notdienste zu verrichten, maß das BSG keine besondere Bedeutung bei.

Bewertung:

Honorarärzte in Krankenhäusern hat das BSG bereits in zahlreichen früheren Entscheidungen als abhängig Beschäftigte angesehen (etwa BSG vom 19.10.21, B 12 KR 29/19 R oder BSG vom 04.06.2019, B 12 R 11/18 R zu Notärzten im Rettungsdienst). Obgleich der Gesetzgeber mit der Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 1 des Krankenhausentgeltgesetzes zu erkennen gegeben hat, dass Honorarärzte auch auf selbständiger Basis tätig sein können, zeigt die Tendenz beim BSG hier eine eindeutige Richtung: Nach den allg. Abgrenzungskriterien sei im Regelfall eine abhängige Beschäftigung und damit Sozialversicherungspflicht anzunehmen.

Noch nicht höchstrichterlich geklärt ist etwa, ob die vertretungsweise Bereitschaft zu Bereitschafts- und Notdiensten anstelle eines anderen niedergelassenen Arztes für die Kassenärztliche Vereinigung zu einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis des Vertretungsarztes zum niedergelassenen Arzt führt.

Interessant auch in diesem Zusammenhang: Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg sah den Zahnarzt als selbständig an und wies dessen Kündigungsschutzklage ab. Trotz ähnlicher Prüfungskriterien im Arbeits- bzw. im Sozialversicherungsrecht für das BSG kein Widerspruch, da das Sozialversicherungsrecht neben der sozialen Sicherung des Einzelnen auch dem Schutz der versicherungsrechtlichen Solidargemeinschaft diene. Wirklich viel hat die Solidargemeinschaft im Regelfall davon bei Ärzten aber nicht, reduziert sich doch die Sozialversicherungspflicht bei Ärzten häufig auf die Arbeitslosenversicherung. Zudem wird in § 23 c Absatz 2 SGB IV geregelt, dass Einnahmen aus Tätigkeiten als Notarzt im Rettungsdienst gegebenenfalls überhaupt nicht beitragspflichtig sind.

Die BSG-Rechtsprechung führt in der Praxis insbesondere in Krankenhäusern zu erheblichen Besetzungsproblemen vor allem im Bereich des Notdienstes. Eine Problematik, die nach Auffassung des BSG offenkundig allenfalls der Gesetzgeber lösen kann.

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