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Urteil - Arbeitsrecht

Arbeitgeber-Bewertungsportal: Arbeitgeber kann Individualisierung und gegebenenfalls Löschung von (negativen) Bewertungen verlangen

Ein Arbeitgeber muss anhand von individuellen Nachweisen eines Plattformbetreibers (hier „kununu“) eigenständig prüfen können, ob mit einer Person, die ihn in einem Bewertungsportal bewertet hat, ein geschäftlicher Kontakt bestand. Wird ihm dies verwehrt, kann er die Löschung der Bewertung verlangen, so das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg in einem Beschluss vom 08.02.2024 (Az.: 7 W 11/24).

Der Sachverhalt:

Die Arbeitgeberin und Antragstellerin in diesem Eilverfahren war ein Unternehmen mit 22 Mitarbeitenden. Die Antragsgegnerin im Verfahren betreibt eine bekannte Arbeitgeber-Bewertungsplattform, genauer „kununu“. Auf dieser über das Internet aufrufbaren Plattform können gegenwärtige und ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Bewerberinnen und Bewerber und Auszubildende ihren Arbeitgeber in verschiedenen Kategorien bewerten. Auf der Bewertungsplattform befinden sich über 5.300.000 Bewertungen zu über 1.040.000 Unternehmen.

Nach den Richtlinien der Bewertungsplattform wurden Bewertungen nur dann für zulässig erachtet, wenn der Rezensent entweder in einem Arbeitsverhältnis zu dem bewerteten Arbeitgeber steht, stand oder zumindest einen Kontakt in Form eines Bewerbungsgespräches hatte. Dies stellte die Arbeitgeberin hier in Abrede. Sie verlangte von der Bewertungsplattform die Löschung verschiedener Bewertungen, die sie für inhaltlich unrichtig hielt. Insbesondere bestritt sie einen geschäftlichen Kontakt zwischen ihr und den Rezensenten. Nach Ablehnung der Auskunft bzw. Löschung erhob die Arbeitgeberin Klage.

Die Entscheidung:

Das OLG gab der Arbeitgeberin im Beschwerdeverfahren Recht und untersagte der Plattform, die im Einzelnen dargestellten Bewertungen zu veröffentlichen.

Die Rechtsgrundlage hierfür sah das OLG in § 1004 Abs. 1 BGB analog i.V.m. § 823 Abs.1 BGB sowie dem Unternehmenspersönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3 GG.

Die pauschale Beanstandung eines mangelnden Kontakts zwischen Rezensenten und Arbeitgeberin hielt das OLG für ausreichend, bis der Arbeitgeberin die Möglichkeit eingeräumt werde, das Vorliegen eines geschäftlichen Kontaktes zu überprüfen. Das OLG sah es als insoweit nicht ausreichend an, wenn ein Mitarbeiter des Bewertungsportals die Überprüfung selbst vornimmt und der Arbeitgeberin die entsprechenden Dokumente nur in anonymisierter Form zur Verfügung stellt. In diesem Falle sei es der Arbeitgeberin nicht möglich, das tatsächliche Vorliegen eines geschäftlichen Kontaktes zu überprüfen. Im von der Arbeitgeberin eingeleiteten einstweiligen Verfügungsverfahren hatte ein Mitarbeiter der Plattform zwar Rücksprache mit den Rezensenten gehalten, aus seiner Sicht das Vorliegen eines geschäftlichen Kontaktes also überprüft, aber der Arbeitgeberin die entsprechenden Dokumente nur in anonymisierter Form zur Verfügung gestellt.

Bewertung:

Für Arbeitgeber können schlechte Bewertungen auf „Kununu“ erhebliche Probleme auf der Suche nach geeigneten Bewerbern nach sich ziehen. Häufig ist nicht nachvollziehbar, ob wirklich alle (negativen) Bewertungen von aktuellen oder früheren Mitarbeitern stammen, oder aber von Wettbewerbern bewusst lanciert wurden, also sog. Fake-Bewertungen vorliegen.

Mit dieser Entscheidung hat sich erstmals ein Obergericht mit einem Arbeitgeber-Bewertungsportal befasst. Arbeitgeber, die gegen falsche Bewertungen vorgehen möchten, können sich insbesondere bei fehlender Individualisierung der Bewertung auf diese Entscheidung berufen und ggfs. einen Auskunfts- bzw. Löschungsanspruch durchsetzen, wenn sie Zweifel an der Korrektheit einer Bewertung haben.

In einer Entscheidung vom 09.08.2022 (Az.: XI ZR 1244/20) hatte der BGH bereits in einem Verfahren betreffend die Haftung eines Internet-Bewertungsportals festgestellt, dass Zweifel an der Richtigkeit einer Bewertung schon durch die Rüge eines fehlenden geschäftlichen Kontaktes begründet werden können. Für Rezensionen von aktuellen oder früheren Mitarbeitern dürfte daher nichts Anderes gelten, da der Arbeitgeber ansonsten bei Internetbewertungen schutzlos dastünde.

Zwar hat ein Rezensent das Recht, anonym zu bleiben und eine Offenlegung aus datenschutzrechtlichen Gründen zu verweigern. In diesem Fall ist der Plattformbetreiber allerdings verpflichtet, die Rezension zu löschen.

Die Bewertungsplattform hat bereits angekündigt, gegen die Entscheidung des OLG vor den Bundesgerichtshof (BGH, das höchste deutsche Zivilgericht) zu ziehen. Es bleibt also spannend.

Auch wenn eine höchstrichterliche Entscheidung des BGH zu diesem Themenkomplex aussteht, können Arbeitgeber auf Basis dieser Entscheidung nunmehr – mittels Eilverfahren ggf. effizienter gegen  aus Ihrer Sicht gegebene Fake-Beurteilungen vorgehen, die immer mehr zu einer Geisel unserer Zeit werden.  Dabei sind sie aufgrund des sog. fliegenden Gerichtstands frei, wo sie ihre Ansprüche einklagen, so dass sich aktuell ein Tätigwerden in Hamburg empfehlen könnte. Unter einem fliegenden Gerichtsstand versteht man die Zuständigkeit verschiedener Gerichte in örtlicher Hinsicht. Werden also Rechtsverletzungen im Zusammenhang mit der Nutzung des Internets begangen, wird überall dort die örtliche Zuständigkeit begründet, wo entsprechendes Material oder Inhalte per Internet abgerufen werden können.

Für MitarbeiterInnen gilt, dass insbesondere bewusst unrichtige Tatsachenbehauptungen über den Arbeitgeber arbeitsrechtliche Konsequenzen haben können. Hier ist also Vorsicht geboten. Da der Rezensent allerdings die Offenlegung seines Namens gegenüber dem Arbeitgeber im Regelfall verweigern kann, riskiert er meist nicht mehr als eine Löschung der Bewertung.

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