Darlegungslast bei Fortsetzungserkrankung – Pflicht des Arbeitnehmers zur Offenlegung aller Krankheiten
Der Arbeitnehmer hat bei Streit über das Vorliegen einer neuen Erkrankung im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 und 2 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) alle zur Arbeitsunfähigkeit führenden Erkrankungen im relevanten Zeitraum offenzulegen.
So das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem aktuellen Urteil vom 18.01.2023 (Az.: 5 AZR 93/22).
Die Entscheidung:
Dies wies das Bundesarbeitsgericht zurück: Ein Arbeitnehmer sei im Arbeitsgerichtsprozess nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast gehalten, sämtliche Krankheitsdiagnosen im maßgeblichen Zeitraum offenzulegen, wenn er behaupte, dass es sich dabei um unterschiedliche, die gesetzliche Entgeltfortzahlung jeweils erneut auslösende Krankheiten gehandelt habe.
Behaupte der Arbeitgeber demgegenüber einen Fortsetzungszusammenhang, also das Vorliegen anrechenbarer Vorerkrankungen, müsse der Arbeitnehmer die behandelnden Ärzte von der ärztlichen Schweigepflicht entbinden (so bereits BAG vom 31.03.2021, Az.: 5 AZR 197/20).
Dem stünde auch, so das BAG in der aktuellen Entscheidung ausdrücklich, nicht das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Arbeitnehmers aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 GG entgegen.
Ohne Kenntnis der vollständigen Diagnosen könne der Arbeitgeber den Einwand des Fortsetzungszusammenhangs nämlich nicht glaubwürdig und verlässlich prüfen.
Das BAG betonte zudem, dass es keine angemessene Alternative darstelle, den Arbeitgeber auf eine Einschätzung der Krankenversicherung nach § 69 Abs. 4 Halbsatz 1 SGB X zu verweisen. Insoweit stellte das BAG deren Validität in Frage.
Die nach Ablauf der Entgeltfortzahlung zur Leistung von Krankengeld verpflichtete Krankenversicherung sei nämlich keine unparteiische Dritte.