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Urteil - Arbeitsrecht

Fristlose Kündigung wegen Arbeitszeitbetrug, negative Auswirkungen des Mitarbeiterverhaltens nach der Tat (sog. „Nachtatverhalten“).

Auch ein einmaliger und geringfügiger Verstoß gegen die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung kann einen fristlosen Kündigungsgrund darstellen. Auch aus dem sogenannten „Nachtatverhalten“ des Mitarbeiters kann sich ein endgültiger Vertrauensverlust ergeben.

So das Landesarbeitsgericht Hamm in einem Urteil vom 27.01.2023 (13 Sa 1007/22)

Der Sachverhalt:

Die Mitarbeiterin war seit dem 01.09.2013 als Reinigungskraft beim Arbeitgeber beschäftigt. Ihre Arbeitszeit hatte sie einschließlich der Pausenzeiten selber elektronisch zu erfassen, es gab auch die Möglichkeit nachträglicher Korrekturen.

Am 08.10.2021 loggte sich die Klägerin bei Aufnahme ihrer Tätigkeit um 07:20 Uhr über das Zeiterfassungssystem ein und bei Beendigung um 11:05 Uhr wieder aus. Gegen 08:30 Uhr besuchte sie an diesem Tag für mindestens 10 Minuten ein Café und traf sich dort mit einer weiteren Person zum Kaffeetrinken. Dabei bediente sie das Arbeitszeiterfassungssystem weder beim Aufsuchen des Cafés noch bei der späteren Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit. Auch nahm sie später keine Korrektur der Zeitauffassung vor. Der Arbeitgeber hatte den Cafébesuch von seinem Auto aus beobachten können. Als er die Mitarbeiterin später darauf ansprach, warum sie sich in dem Zeiterfassungssystem für die 10 Minuten im Café nicht ausgeloggt habe, wies diese den Vorwurf des Arbeitszeitbetruges zurück und beteuerte, ihren Arbeitsplatz nicht verlassen, sondern sich im Keller aufgehalten zu haben. Auf den Vorhalt des Arbeitgebers, dass er die Mitarbeiterin persönlich im Café beobachtet habe, erklärte die Mitarbeiterin, dass sich der Arbeitgeber irren müsse. Erst als der Arbeitgeber ankündigte, der Mitarbeiterin Beweisfotos auf seinem Mobiltelefon zeigen zu wollen, räumte diese ein, den Arbeitsplatz verlassen zu haben und sich zur Pause weder aus- noch wieder eingeloggt zu haben.

Der Arbeitgeber kündigte daraufhin fristlos. Die Kündigungsschutzklage der Mitarbeiterin war in beiden Instanzen erfolglos.

Die Entscheidung:

Durch den Arbeitszeitbetrug habe ein wichtiger Grund vorgelegen, der eine außerordentliche Kündigung rechtfertige, so das Landesarbeitsgericht Hamm.

Wenn der Arbeitgeber die Arbeitszeiterfassung dem Arbeitnehmer auferlege, müsse er im Gegenzug darauf vertrauen dürfen, dass der Arbeitnehmer diese korrekt dokumentiere. Missbrauche der Arbeitnehmer dieses Vertrauen vorsätzlich und wissentlich, stelle dies einen schweren Vertrauensmissbrauch dar. Dabei komme es nicht darauf an, welche Dauer der Arbeitszeitbetrug gehabt habe. Ausschlaggebend sei der Vertrauensverlust. Negativ zu Lasten der Klägerin bewertete das Landesarbeitsgericht zudem das sogenannte „Nachtatverhalten“ der Mitarbeiterin. Selbst auf Vorhalt des Arbeitszeitbetruges habe sie diesen noch mehrfach geleugnet. Selbst wenn die Mitarbeiterin nur vergessen hätte, die Zeit im Café im Arbeitszeiterfassungssystem zu hinterlegen, habe sie jedenfalls in dem Moment vorsätzlich das Vertrauensverhältnis irreversibel zerstört, als sie gegenüber dem Arbeitgeber die falsche Arbeitszeiterfassung auf Vorhalt geleugnet hatte.

Bewertung:

In der Praxis dürfte es jedenfalls bei nur geringfügigen fehlerhaften Zeiterfassungen häufig durchaus riskant sein, ohne eine Abmahnung sofort eine (fristlose) Kündigung auszusprechen. Entscheidend ist hier natürlich wie stets im Arbeitsrecht der Einzelfall (Dauer und Häufigkeit der Zeitmanipulation, etwaige Gründe von vorgenommenen Änderungen etc). Kommt zum Arbeitszeitbetrug allerdings im Nachhinein ein beharrliches Leugnen der Tatsachen hinzu, kann – wie die Entscheidung zeigt – auch eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung gerechtfertigt sein.

Insbesondere aufgrund dieses „Nachtatverhaltens“ fiel nach Auffassung des Landesarbeits-gerichtes auch die Interessenabwägung, die bei jeder verhaltensbedingten Kündigung vorzunehmen ist, trotz der mehr als achtjährigen Betriebszugehörigkeit der zudem schwerbehinderten Klägerin und der nur sehr kurzen Arbeitszeitunterbrechung ohne Ausstempelung zu Lasten der Mitarbeiterin aus. Maßgeblich für die Bewertung war für das Landesarbeitsgericht, dass die Mitarbeiterin, als sie mit dem Vorfall konfrontiert wurde, ihr Vergehen mehrfach zunächst abgestritten und dieses erst eingestanden hatte, als sie keine Möglichkeit mehr sah, ihre Tat weiter zu vertuschen.

Die Mitarbeiterin habe auch im persönlichen Gespräch mit dem Arbeitgeber nur wenig Einsicht und geringe Hemmungen gezeigt, dem Arbeitgeber „ins Gesicht zu lügen“, sodass der Arbeitgeber nicht mehr darauf vertrauen konnte, dass die Mitarbeiterin nicht auch in Zukunft unredliches Verhalten an den Tag legen würde, um sich persönliche Vorteile zu erschleichen. Aus diesem Grund sah das Gericht auch die Notwendigkeit einer Abmahnung im vorliegenden Falle als nicht erforderlich an.

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